Israel geht zunehmend auch am Boden gegen die Hamas vor. Das wird die humanitäre Lage im Gazastreifen weiter verschlechtern. Helfer berichten von dramatischen Szenen.

“Das Ziel ist klar: Alles zu zerstören, was mit Hamas zu tun hat.” Mit diesen Worten hat ein Sprecher der israelischen Armee die zunehmenden Bodenangriffe in Gaza beschrieben. Das durch den Terrorangriff der Hamas ausgelöste Vorgehen wird die humanitäre Lage in dem Gebiet weiter zuspitzen. Die Stromversorgung soll nahezu komplett unterbrochen sein. Zudem wurde offenbar der Mobilfunk abgeschaltet, weswegen keine Krankenwagen mehr gerufen werden können. Hilfsorganisationen berichten, dass sie den Kontakt zu ihren Mitarbeitern vor Ort verloren haben.

Die Lage war schon vor den Bodenangriffen dramatisch. Am Mittwochmorgen, 25. Oktober, nach einer der tödlichsten Nächte seit dem Beginn der israelischen Gegenangriffe auf den Gazastreifen, erreicht ZEIT ONLINE eine Sprachnachricht von Yousef Hammash aus Chan Yunis, einer Stadt im Süden des Gazastreifens: “Das Ausmaß der Bombardierungen der vergangenen Nacht übertrifft alles, was ich bisher in Gaza erlebt habe. Überall Einschläge und Explosionen. Wir sind den Aufforderungen der israelischen Armee gefolgt und in den Süden gegangen, sicher sind wir hier aber nicht. In unserer direkten Nachbarschaft sind gestern Nacht vier Häuser bombardiert worden. Vor ein paar Tagen hat eine Kollegin von mir elf ihrer Familienmitglieder verloren: ihren Vater, ihre Brüder und ihren einzigen Sohn. Als sie morgens um 9 Uhr beim Frühstück saßen, ist das Haus über ihnen zusammengebrochen. Selbst wenn dieses Chaos wieder aufhören sollte, weiß ich nicht, wie wir uns jemals davon erholen sollen. Wir sind alle traumatisiert.”

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Salim Oweis, Mitarbeiter des Regionalbüros von Unicef in Amman, der Hauptstadt Jordaniens, schildert am Freitag im Gespräch mit ZEIT ONLINE zudem die katastrophale Lage der Kinder: “Im Gazastreifen gibt es keinen sicheren Ort mehr, auch nicht für die Jüngsten. Schon vor dem Beginn des aktuellen Krieges gab es enorm viele traumatisierte Kinder und Jugendliche.” Viele würden unter der israelischen Blockade des Gazastreifens leiden, die schon seit 16 Jahren andauert. Hinzu kämen die wiederholten kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen der Hamas und Israel. “Seit dem ersten Gaza-Krieg 2008 wurde der Gazastreifen immer wieder von Israel bombardiert.” Die psychische Gesundheit sei dadurch enorm beeinträchtigt. “Viele Kinder zeigen schwere Trauma-Symptome wie Krampfanfälle, Bettnässen, Angst oder aggressives Verhalten.” Fast die Hälfte der Bewohner des Gazastreifens sind Kinder.

Am Freitagabend hat die UN-Vollversammlung eine Resolution verabschiedet, in der sie eine sofortige Waffenruhe im Gazastreifen fordert. 120 Länder stimmten dafür, 14 dagegen, 45 enthielten sich, darunter auch Deutschland. Israel verurteilt die Resolution.

  • aardA
    link
    Deutsch
    38 months ago

    Israel geht zunehmend auch am Boden gegen die Hamas vor. Das wird die humanitäre Lage im Gazastreifen weiter verschlechtern.

    Das ist aktuell die einzige Chance die Lage irgendwann zu verbessern. Es gibt da grob drei Optionen:

    1. Israel hoert auf, und laesst sich ohne eigene Reaktion von Hamas aus dem Gazastreifen beschiessen. Nach dem Hamasangriff und der politischen Situation wo sich seit zwei Jahrzehnten auf beiden Seiten die radikalen Lager gegenseitig hochgeschaukelt haben wird das nicht passieren.
    2. Israel beschraenkt sich auf Luftangriffe. Das ist die Variante mit dem groessten Kollateralschaden - da Hamas in und unter zivilen Einrichtungen agiert haette das nur Erfolg wenn Israel aus dem kompletten Gazastreifen einen grossen Parkplatz machen will. Die Option kann niemand wollen - ausser vielleicht israelischen Bodentruppen.
    3. Israel geht mit Bodentruppen rein. Das wird hohe Verluste auch auf israelischer Seite haben - aber ist die einzige Moeglichkeit den Kollateralschaden wenigstens halbwegs kontrollieren zu koennen.